Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes

Stellungnahme

Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuches und anderer Gesetze

hier zur:

Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes

Vorangeschickt wird, daß der Unterzeichner als Mitglied des Beirates der KünstlerSozialKasse den Referentenentwurf erst am Freitag, den 01.07.2022 erhalten hat. Die erbetene Stellungnahme soll hingegen schon zum heutigen Montag 04.07.2022 erfolgen. Eine eingehende und seriöse Stellungnahme innerhalb eines Arbeitstages ist kaum zumutbar und auch schwerlich zu leisten. Die Stellungnahme erfolgt daher in der gebotenen Kürze und womöglich auch nicht frei von Fehlern.

Die Stellungnahme des Unterzeichners erfolgt als Mitglied des Beirats der KSK und insofern auch als Vertreter der Verbände der FilmkünstlerInnen:

Bundesverband Regie - BVR

Bundesverband Kinematografie - BVK

Bundesverband Filmschnitt - Editor - BFS

Verband der Berufsgruppen Szenenbild und Kostümbild - VSK

sowie der

Vereinigung deutscher Opern- und Tanzensembles - VdO

 

Zu Artikel 16 (Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes)

Zu Nr. 1 (§ 5)

Die Regelung, wonach die befristete Ausnahmevorschrift für ein erhöhten Zuverdienst von bis zu 1.300,00 € im Monat aus einer selbständigen nicht-künstlerischen Tätigkeit nicht über den 31.12.2022 hinaus entfristet wird, mag nicht im Sinne einzelner Künstlerinnen oder Künstler sein, es scheint jedoch aus übergeordneten sozialpolitischen Erwägungen nachvollziehbar.

Eine Fortführung der pandemiebedingten Ausnahmeregelung wäre auf Dauer nicht gerechtfertigt, da andernfalls die Gefahr bestünde, daß ein nicht unerheblicher Personenkreis über das KSVG versichert würde, die nicht (mehr) im Wesentlichen künstlerische Tätigkeiten ausüben.

Hingegen erscheint die geplante Gleichstellung derjenigen „Mischeinkünftlern“, die sowohl Einkommen aus selbständiger als auch aus nichtselbständiger Tätigkeit erzielen, mit den anderen

„Mischeinkünftlern“, die sowohl Einkünfte aus künstlerischer als auch aus nichtkünstlerischer selbständiger Tätigkeit erzielen, im Hinblick auf die jeweilige Haupttätigkeit konsequent und folgerichtig.

Zu Nr. 2 (§ 6)

Die in § 6 vorgesehenen Änderungen werden ausdrücklich begrüßt. Eine Begrenzung der Befreiung von der Krankenversicherungspflicht für Berufsanfängerinnen und Berufsanfängern wurde diesseits angeregt und wird weiterhin für geboten erachtet.

Auch gesetzessystematisch erscheint die Änderung sinnvoll. Das KSVG strebt eine weitgehende Gleichstellung von selbständigen Künstlerinnen und Künstlern mit abhängig Beschäftigten in der Sozialversicherung an. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist es aus wohlüberlegten Gründen nach dem Willen des Gesetzgebers nicht möglich, sich von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) befreien und von einer privaten Krankenversicherung (PKV) versichern zu lassen, wenn ihr Einkommen nicht die Pflichtversicherungsgrenze übersteigt.

Daher ist es nur konsequent, wenn auch selbständige Künstlerinnen und Künstler dauerhaft nur dann von der Pflichtversicherung in der GKV zu Gunsten der PKV befreit werden, wenn sie in gleichem Maße wie Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen wirtschaftlich in gleicher Weise unabhängig sind.

In diesem Zusammenhang wird diesseits zu bedenken gegeben, darüber hinaus sogar insgesamt die Berufsanfänger-Regelung für die PKV abzuschaffen, mithin § 6 KSVG gänzlich zu streichen.

Wie oben schon ausgeführt, bezweckt das KSVG die wesentliche Gleichstellung von Künstlerinnen und Künstlern mit Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung. Gerade junge Künstlerinnen und Künstler können als Berufsanfänger mit entsprechend wenig Berufs- und Lebenserfahrung die Tragweite einer solchen Entscheidung schwer einschätzen. Künstlerinnen und Künstler sind in dieser Hinsicht mindestens so schutzbedürftig wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Praxis des künstlerischen Erwerbslebens zeigt, daß durch die unsteten Erwerbsbiographien derartige Entscheidungen später als fatal und oft sogar existenzbedrohend erweisen. Nicht zuletzt die Praxis der privaten Krankenversicherungsunternehmen, attraktive Einstiegstarife anzubieten, die im Laufe des Erwerbslebens und insbesondere in der Rente zu - jedenfalls für Künstlerinnen und Künstler - nicht mehr bezahlbaren Beiträgen führen, lassen dies als geboten erscheinen.

Zu Nr. 3 und Nr. 4 (§§ 10 und 10 a)

Die geplante Änderung, den Beitragszuschuß zur Kranken- und Pflegeversicherung künftig den vormals als Berufsanfängern von der Versicherungspflicht Befreiten in gleicher Weise zu gewähren, wie den als „Besserverdiener“ befreiten Versicherten nach §  7  wird  außerordentlich  begrüßt.  Die  bisherige  Regelung  wurde  diesseits  als „Berufsanfänger-Falle“ seit Jahren kritisiert und eine entsprechende Änderung angeregt.

Die Änderung ist auch nach wie vor dringend geboten. Insbesondere ist nicht ersichtlich, warum nur „Besserverdienende“ einen Zuschuß zu einer späteren freiwilligen Versicherung in der GKV erhalten sollen, schlechter verdienende hingegen nicht.

Auch ist nicht erkennbar, warum überhaupt Künstlerinnen und Künstler, die als von der Versicherungspflicht befreite für ihre PKV einen Zuschuß erhalten haben, dies im Falle einer Rückkehr in die GKV nicht mehr erhalten sollen.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, daß auch Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit wiederholt in Urteilen darauf hingewiesen haben, daß die gesetzliche Regelung nicht nachvollziehbar, jedoch solange diese (leider) fortbesteht, zu beachten sei.

Festzustellen bleibt, daß die beabsichtigte Gesetzesänderung geboten und konsequent ist.

Auch die an späterer Stelle zu Nr. 11 (§ 56 a) vorgesehene Übergangsregelung erscheint sinnvoll.

Darüber hinaus gäbe es nach diesseitiger Auffassung zu prüfen, ob nicht eine weitere Rückkehrmöglichkeit  für  Altfälle  geschaffen  werden  sollte,  die  als  „Opfer“  der

„Berufsanfänger-Falle“ den Rest ihres Lebens an die PKV gebunden sind.

Zu Nr. 7 (§ 18)

Die beabsichtige Klarstellung, wonach nicht nur die Säumniszuschläge      auch         die Stundungszinsen der KSK „gehören“, erscheint folgerichtig.

Zu Nr. 8 (§ 24)

Die beabsichtigte Gesetzesänderung erscheint zur Klarstellung auf das vom Bundessozialgericht am 01.06.2022 ergangene Urteil verständlich bzw. gar geboten.

Zu Nr. 9 (§ 30) und Nr. 10 (§ 45)

Die Klarstellung erscheint, wie oben unter Nr. 7, folgerichtig.

Zu Nr. 11 (§ 56 a)

s.o. zu Nr. 6 am Ende

Zu Nr. 12

Die Aufhebung der Regelung erscheint folgerichtig.

Anregung für weitere Verbesserungen im Rahmen der anstehenden KSVG-Novelle:

Über die im Gesetzentwurf genannten Änderungen hinaus wird vorgeschlagen:

13. § 4 Ziffer 2 KSVG wird aufgehoben.

Begründung:

Nach der derzeitigen Regelung entfällt die Rentenversicherungspflicht, wenn eine Künstlerin oder Künstler neben der selbständigen Tätigkeit aus einer abhängigen Beschäftigung ein Arbeitsentgelt bezieht, welches mehr als die Hälfte der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung (derzeit im KJ 2022 monatlich 7.050,00 € in den alten Bundesländern bzw. 3.375,00 €) beträgt.

Das bisherige Gesetz ging offenbar davon aus, daß Künstlerinnen und Künstler, die im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung so viel (bzw. wenig) verdienen, nicht mehr schutzbedürftig seien im Hinblick auf ihre Altersvorsorge.

Auch wenn sich der eine oder andere Künstler freuen mag, daß die selbständige Tätigkeit neben der Anstellung nicht mehr rentenversicherungspflichtig ist, führt diese Regelung zu unbilligen und sozialpolitisch nicht mehr zu vertretenden Ergebnissen.

Selbständige Künstlerinnen und Künstler versuchen oftmals durch eine angestellte Tätigkeit überhaupt den Spielraum für ihr künstlerisches Schaffen zu erreichen bzw. zu erweitern.

Daß eine spätere Rente, die lediglich aus Beiträgen aus Einkommen „nur“ in dieser Höhe für ein Leben in Städten wie München, Berlin oder Hamburg - in denen Filmkünstler überwiegend leben (müssen) – nicht wirklich ausreicht, liegt auf der Hand.

Daher ist aus heutiger Sicht nicht mehr einzusehen, daß Künstlerinnen und Künstler, die über diese Grenze verdienen, einerseits keine Rentenversicherungsbeiträge mehr für Einkünfte aus der selbständigen künstlerischen Tätigkeit bezahlen müssen und andererseits dementsprechend auch keine Rente erhalten.

In gleicher Weise würde sich die Frage stellen, warum dieser Personenkreis, wenn sie nur von selbständiger künstlerischer Arbeit leben, nicht auch nur bis zur halben Beitragsbemessungsgrenze beitragspflichtig und rentenfähig sind.

Jedenfalls kann nicht mehr davon ausgegangen werden, daß mit dem Erreichen dieser Verdienstgrenze Künstlerinnen und Künstler nicht mehr schutzbedürftig seien.

Daher wird angeregt, die bestehende Regelung aufzuheben.

Für etwaige Rückfragen zu obigen Ausführungen oder zu sonstigen sozialen Fragen von Künstlerinnen und Künstlern steht der Unterzeichner, auch im Rahmen einer Anhörung, gerne zur Verfügung.

 

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