ES REICHT - TIL SCHWEIGER - THE FULL PICTURE

Pressemitteilung
Alle die meinen, im Bereich Film etwas sagen zu haben, fallen derzeit über Til Schweiger her – doch auf die Strukturen und Verantwortlichkeiten, die hinter der Arbeit beim Film stehen, schaut niemand. Was also passiert hier gerade?

Claudius Seidl bringt es in der FAZ auf den Punkt: „...dass die Schweiger-Geschichte eher davon ablenkt, wie viel Angst, welcher Druck und was für ein Zynismus bei deutschen Dreharbeiten im Spiel ist – nicht nur, wenn Männer inszenieren.“

Hört auf, Euch weg zu ducken!

Es ist der Zeitpunkt, auf die zu schauen, die gerade schweigend am Rand stehen und die Verantwortung für dieses System und seine Folgen tragen, die konkret für das infrage stehende Projekt verantwortlich zeichnen (und damit ihr Geld verdienen). Wenn die Regie sagt: Zu den Bedingungen kann ich den Film nicht drehen, wird achselzuckend jemand anderes beschäftigt, der oder die es dann doch macht. Wer schützt die Regie vor sich selbst, wenn Alkohol im Spiel ist? Wer das Team, wenn der Ton und die Arbeitszeiten unerträglich werden und sich niemand traut zu sprechen? Wenn eine junge Frau durch ein Dach fällt? Man muss sich fragen, was muss denn noch passieren, damit die Verantwortlichen am Set auftauchen: Aufnahmeleitung, Produktionsleitung, ein Produzent?

Die Rache des Systems

Es wird selbst über Offenkundiges nicht gesprochen, denn die Überbringer schlechter Nachrichten werden bekanntermaßen erschossen. Warum gilt dieser Satz doppelt beim Film?

Weil alle Mitarbeiter:innen am Set auf die Produktionsdauer bezogen arbeiten - es gibt keine garantierten, festen Arbeitsplätze. Das heißt, diejenigen, die unangenehm auffallen, werden beim nächsten Mal nicht erneut beschäftigt. Ein System, das offene Worte und einen transparenten Umgang mit Problemen per se erschwert.

Es braucht also keine Vermutung toxischer Verhältnisse, selbst wenn sie vorkommen, weil damit alle Mitarbeiter:innen in welcher Funktion auch immer auf eine besondere Art zur Selbstbehauptung herausgefordert sind. 


Schweiger kennt das Gesetz der Branche

Dabei geht es für alle, und vor allem für die Regie, immer nur um eins: den nächsten Film. Misserfolg wird nicht verziehen und mit Auftragsentzug sanktioniert. Je höher der Level, auf dem man gearbeitet hat, desto tiefer droht der Fall. Und da Schweiger schöne und große Erfolge gefeiert hat und gerade wieder feiert, wäre sein Fall tief und hart. Das weiß er genau. Und jeder, der das versteht, weiß, dass solch ein Druck Menschen auch zerstören kann.

Was wir wirklich brauchen

Selbst führende Gewerkschafts-Funktionäre:innen, weisen auf die Regie, und das obwohl gerade sie selbst die Arbeitsbedingungen mit den Produzent:innen verhandeln. Was wir aber dringend wirklich brauchen, sind akzeptable Arbeitsverhältnisse, die die Menschen vor sich und anderen schützen, international vergleichbare Arbeitszeiten. Der Regieverband fordert schon seit längerem tatsächliche kreative Freiheiten, die einer Regie eine möglichst druck- und stressfreie Arbeit ermöglichen - jenseits von einem "Genie"- oder einem Personenkult, den die Öffentlichkeit zwar liebt, aber der mit den konkreten Bedingungen am Set wenig zu tun hat.

Wir sollten froh sein, dass es mit Schweiger einen sehr erfolgreichen Regisseur und Schauspieler gibt, der es versteht, die Kinos zu füllen. Wir wünschen ihm, dass er die Beine auf den Boden und sich selbst in den Griff kriegt.

Das wünschen wir ihm auf jeden Fall - ohne Wenn und Aber.

 

Der Vorstand