Erweiterte Telemediennutzung kann nicht aufwendungsneutral sein

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Die Äußerung der MPin Malu Dreyer zur geplanten Erweiterung des Telemedienangebotes von ARD und ZDF hat die Urheber- und Kreativverbände BVR, BVK, BFS, BFFS, VDD und VSK auf die Palme gebracht …

MPin Malu Dreyer fordert faktische Teil-Enteignung von Urhebern, Künstlern und Produzenten
Die Verbände und Gewerkschaften von Fernsehschaffenden, insbesondere aus den urheberrechtlich relevanten Bereichen (Drehbuch, Regie, Kamera, Schnitt, Szenen- und Kostümbild) sind entsetzt über die rundfunkrechtliche Absicht der Länder, die Verweildauer in öffentlich-rechtlichen Onlineangeboten „aufwendungsneutral“ auszuweiten. Die Ministerpräsidenten haben auf ihrer Konferenz am Wochenende in Saarbrücken die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zwar auch zu mehr Reformwillen und Sparmaßnahmen aufgefordert. Sie beschlossen jedoch darüber hinaus, im Zuge der 22. Änderung des Rundfunkstaatsvertrages die Verweildauer in öffentlich-rechtlichen Mediatheken beträchtlich zu entgrenzen – und zwar, wie die Vorsitzende der Ministerpräsidenten­konferenz Malu Dreyer betonte, „aufwendungsneutral“. In dieser Vorfestlegung sehen die Kreativver­bände einen unerträglichen Versuch, die Kreativen zum Teil sogar gesetzlich verbriefter Vergütungsansprüche zu berauben.

Laut Urheberrechtsgesetz müssen Urheber und ausübende Künstler angemessen vergütet und am Erfolg ihrer Film- oder Fernsehwerke beteiligt werden. Das gilt auch, wenn sie über Onlineangebote verbreitet werden. Weil dieser gesetzliche Anspruch derzeit von den öffentlich-rechtlichen Rundfunk­anstalten keineswegs angemessen erfüllt wird, befinden sich ARD und ZDF auf unterschiedlichen Ebenen in äußerst komplizierten Verhandlungen bzw. Schlichtungsverfahren mit Kreativverbänden und -gewerkschaften. Diese müssen nun befürchten, dass eine Einigung in diesem Konflikt durch die Sparauflagen und die reichlich unbedachte Aufforderung der Länder, die Online-Angebote „aufwendungsneutral“ auszuweiten, weitgehend minimalisiert. Die in verschiedenen Rundfunkstaatsverträgen ergangene Aufforderung an die Anstalten, Urhebern, ausübenden Künstlern faire Vergütungen einzuräumen, wird damit letztlich torpediert.

„Mit der Freibier-für-alle-Forderung lügt sich die Politik in die Tasche“, hält BFFS-Vorstand Heinrich Schafmeister den Ministerpräsidenten vor, „Im Leben ist nichts umsonst. Schon seit Jahren werden unsere Filme in den Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen platziert, ohne dass wir dafür fair bezahlt werden. Nun sollen wir auch noch über die bisherige Sieben-Tage-Beschränkung hinaus über‘s Ohr gehauen werden.“
„Der Beschluss der Länder widerspricht in eklatanter Weise dem Geist des Rundfunkstaatsvertrages und des Grundgesetzes“, unterstreicht Dr. Jürgen Kasten, Geschäftsführer des Regieverbandes (BVR): „Im Rundfunkstaatsvertrag werden in einer Protokollnotiz ARD und ZDF ausdrücklich zu fairen terms of trade gegenüber Urhebern, ausübenden Künstlern und Produzenten aufgefordert und in Artikel 14 des Grundgesetzes wird auch bzw. gerade das geistige Eigentum besonders geschützt“.

Die Erfahrung lehrt, dass Sparmaßnahmen bei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vor allem die frei bewirtschaftbaren Programmmittel der Auftragsproduktion ins Visier nehmen und damit gerade die Kreativen getroffen werden. Dabei, so Dr. Michael Neubauer, Geschäftsführer des Bundesverbands Kinematografie (BVK), „haben ARD und ZDF ohne die Kreativen kein frisches und qualitätsvolles Programm, sie können dann nur noch aus der Konserve senden und ihren wichtigen gesellschaftlichen Auftrag nicht mehr erfüllen. Dann hätten antidemokratische, spaltende Strömungen endgültig freie Bahn. Genauso wenig, wie es eine ‚aufwendungsneutrale‘ Demokratie gibt, können öffentlich-rechtliche Sendungen ‘aufwendungsneutral‘ dem breiten Publikum zugänglich gemacht werden.

Der Begriff „aufwendungsneutral“, den die Ministerpräsidenten der massiven Ausweitung der Einstellzeiten in kostenlosen öffentlich-rechtlichen Mediatheken beigaben, ist eine Katastrophe für die zukünftige Fernsehproduktion, da sie Fernsehschaffenden wie Produzenten ein wesentliches Refinanzierungsmittel vorenthält. Es bleibt zu hoffen, dass die Formel, mehr zu bekommen und weniger zu bezahlen, nicht das medienpolitische Bekenntnis ist, das von den Bundesländern im Februar 2018 bei der endgültigen Neujustierung der Rahmenbedingungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gegeben wird.

Lesen Sie zu dieser Thematik auch die folgenden beiden Beiträge:

//  Brief zum Telemediengesetz an die Ministerpräsidenten der Länder
//  Mediatheken nicht zu Lasten der Filmbranche ausweiten