Merkel und Maas lassen Urheber und Urheberinnen im Regen stehen

Pressemitteilung

Die Novellierung des Urheberrechtsgesetzes sollte UrheberInnen und ausübende KünstlerInnen stärken und ihnen mehr Rechtsansprüche und Verfügungsmöglichkeiten als bisher geben. Davon ist fast nichts mehr übriggeblieben! Zumindest dann, wenn der heute im Kabinett beratene Regierungsentwurf tatsächlich Gesetz werden sollte. 

Der aktuelle Regierungsentwurf des ursprünglich intendierten Gesetzes zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern/Urheberinnen und ausübenden Künstlern/Künstlerinnen ist ein Verschlimmbesserungs-Gesetz geworden. Nicht nur, dass ein Schlichtungsergebnis zur Aufstellung Gemeinsamer Vergütungsregeln nach wie vor unverbindlich ist, so dass weiterhin Umgehung möglich ist und das zaghaft eingefügte Verbandsklagerecht kaum Wirkung entfalten kann. Vor allem die Veränderungen im Bereich der Mehrfachnutzung eines Werkes sind dramatisch, die Urhebern/Urheberinnen einen Anspruch auf Vergütung für jede Werknutzung gegeben hätten. Der Rückschnitt bei den Fristen für einen Rechterückruf des Urhebers/der Urheberin ist gleichfalls beträchtlich. Und die Schlechterstellung von Film-UrhebernInnen gegenüber bestimmten allgemeinen Verfügungsrechten wird weiter vorangetrieben. Vorschläge etwa zu einem effizienteren Verfahren, um zu Gemeinsamen Vergütungsregeln zu gelangen, die endlich definieren würden, was angemessen ist, wurden entweder ignoriert oder gestutzt.

Der Regierungsentwurf zum Urhebervertragsrecht ist ein Torso. Er verkehrt teilweise die ursprünglichen Absichten: Was zur Verbesserung der vertraglichen Stellung des Urhebers/der Urheberin gedacht war, hat sich unter dem Druck von Lobbyverbänden ins Gegenteil verkehrt und verschlechtert in manchen Punkten sogar die bisherige Rechtsstellung. Der Entwurf muss noch die parlamentarische Beratung passieren. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestags sind aufgerufen, diese dreiste Mogelpackung zu stoppen und zum eigentlichen Novellierungsziel zurück zu finden: die Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern/Urheberinnen. Ohne die von Urhebern/Urheberinnen geschaffenen Werke gibt es keine Kultur in Deutschland! Und dass sie dafür angemessen vergütet werden, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Der BGH mahnt das seit Jahrzehnten an, ohne dass die Politik dies in ein wirksames Urhebervertragsrecht umsetzt. Der Versuch, die Sicherstellung einer angemessenen Vergütung erneut hinaus zu schieben, lässt darauf schließen, dass im Bundeskanzleramt die berechtigten Interessen von Urhebern/Urheberinnen und ausübenden Künstlern/Künstlerinnen nicht ernst genommen werden. Verkehrungen der Handlungsperspektive des ursprünglichen Referentenentwurfs des BMJV sind vor allem in den Veränderungen des § 32 Abs. 2 Satz 2 UrhG-Ref spürbar, wo die unmittelbare Anknüpfung der jeweils gesonderten Vergütung an mehrfache Nutzungen entfallen und in dem pauschal zusammenfassenden Begriff der “Häufigkeit” aufgegangen ist. Hier wird der ständigen BGH-Rechtsprechung, den Urheber/die Urheberin an den Erträgen aus jeder Nutzung zu beteiligen, erkennbar zuwider gelaufen.

Auch die Veränderung des neu konzipierten § 32 d UrhG-Ref zum Anspruch auf Auskunft ist in seiner Verwässerung für Filmurheber/-urheberinnen kaum akzeptabel. Im Referentenentwurf wurde die Auskunft an jeden Werknutzer/jede Werknutzerin adressiert, der Regierungsentwurf knüpft aber nur noch an den Vertragspartner/die Vertragspartnerin an. Im Verwertungsbereich der Fernsehwirtschaft, wo die Auftragsproduktion üblich ist, erzielt der Vertragspartner (der Auftragsproduzent) aber keine oder nur geringe Erträge, denn er ist nicht der primäre Werknutzer. Der Sender, der überwiegend das Werk nutzt, ist als Dritter aber nicht mehr auskunftspflichtig und wird den Auftragsproduzenten sicher nicht über eigene Verkaufs- und Werbeerlöse informieren. Damit läuft der Auskunftsanspruch aus § 32 d UrhG-RegE bei Auftragsproduktionen völlig ins Leere.
Ein Großteil der fiktionalen und dokumentarischen Medienproduktion erfolgt in so genannter Auftragsproduktion. Der eigentliche Werknutzer, i.d.R. ein Sender oder ein Medienkonzern, bedient sich eines Auftragsproduzenten, der die Produktion durchführt und die Individualverträge mit Urhebern/Urheberinnen und ausübenden Künstlern/Künstlerinnen abschließt. Allerdings nimmt der Auftrag gebende Sender maßgeblichen Einfluss auf die Gestaltung dieser Verträge.

ARD wie ZDF vertreten tatsächlich den Standpunkt, kein Werknutzer i.S. des § 36 UrhG zu sein, obwohl bei einem vom Sender vollfinanzierten Fernsehwerk alle Nutzungen von diesem ausgehen. Der Gesetzgeber hat den Begriff „Werknutzer“ wohl nicht zufällig gewählt und eben nicht den des „primären Vertragspartners“. Die alleinige Anknüpfung in der Passivlegitimation eines TV-Werkverwerters an die primäre Vertragspartnerschaft würde dazu führen, dass Folgevergütungen für die Mehrfachnutzung nicht vereinbart werden könnten, da der unmittelbare Vertragspartner, der Auftragsproduzent, darüber keine Verfügungen treffen kann. Dringend notwendig wäre eine Ergänzung für § 36 Abs. 2 (neu) vor: „Werknutzer ist auch ein Dritter, für den der primäre Vertragspartner des Urhebers das Werk herstellt, der Einfluss auf dessen Vertragsbeziehung zum Urheber nimmt und der das Werk maßgeblich nutzt.

Es war das Ziel der Urhebervertragsrechts-Reform, mit Vergütungsregeln ein feinmaschiges Netz von kollektivvertraglichen Regelungen zu erhalten, das differenzierter als Tarifverträge die Branchenüblich- und –redlichkeit abbildet. Dem steht jedoch die aktuelle Gesetzesregelung des Vorrangs von Tarifverträgen gegenüber Vergütungsregeln entgegen. Für die meisten Urheberbereiche ist das eine Verkehrung der tatsächlichen Repräsentativität, die das Urhebervertragsrecht in § 36 Abs. 2 UrhG streng fordert, für den vorrangigen Tarifvertrag aber gilt dies nicht.

Nicht nur, dass einstmals vor vielen Jahren abgeschlossene Tarifverträge viel aktuellere Vergütungsegeln dominieren oder sogar verdrängen können. Paradoxer Weise ist es möglich, dass tendenziell undifferenzierte Tarifverträge, in denen arbeitsrechtliche Tausch- und Kompromissergebnisse vorherrschen, abgeschlossen von Gewerkschaften mit geringem Organisationsgrad an der Grenze zur Unrepräsentativität, viel differenziertere Vergütungsregelungen repräsentativer Verbände sondern sogar rückwirkend oder vorgreifend auslöschen können . Der BVR schlägt deshalb nachdrücklich vor, die Anreize zum Abschluss von Vergütungsregeln weiter zu erhöhen und den Vorrang von Tarifverträgen, den § 36 Abs. 1 Satz 3 UrhG bestimmt, ersatzlos zu streichen.

Als ein wesentlicher Grund für die geringe Anzahl bisher abgeschlossener Vergütungsregeln gilt die am Ende des Verfahrens mögliche Unverbindlichkeit. Das Schlichtungsverfahren nach § 36 a UrhG ist völlig folgenlos, wenn einer Partei das Ergebnis nicht passt. Das sollte dringend korrigiert werden und etwas mehr Einigungsdruck gesetzlich ausgeübt werden. Der Kölner Entwurf von Prof. Peifer schlägt als Lösung vor, dass Werknutzer einem Einigungsvorschlag nur begründet hinsichtlich der Angemessenheit widersprechen können. Der Einigungsvorschlag einer Schlichtungsstelle zu Gemeinsamen Vergütungsregeln sollte die widerlegliche Vermutung der Angemessenheit haben. Die Verbindlichkeit eines Schlichterspruchs und die sofortige Überprüfung der Angemessenheit eines Einigungsvorschlags durch das Oberlandesgericht würden eine faire Kompromisslösung auch des vermeintlichen verfassungsrechtlicher Bedenken darstellen.

Der neu eingefügte Unterlassungsanspruch für Verbände, wenn ein Werknutzer/eine Werknutzerin sich nicht an die Mindestbedingungen einer Vergütungsregel hält, ist zwar begrüßenswert. Da der Urheber/die Urheberin nicht Partei des Verfahrens ist, ist die Situation für ihn/sie formal entschärft. Allerdings sind die konkreten Fallumstände bei der Unterlassungsklage eines Verbandes zu benennen. Dann müsste aber wohl auch die Identität des Urhebers/der Urheberin offengelegt werden. Damit liefe der Schutz vor dem gefürchteten Blacklisting ins Leere. Deshalb muss die Unterlassungsklage des Verbandes auch ohne konkrete Nennung des/der betroffenen Urhebers/Urheberin möglich sein. Außerdem wäre es wichtig, durch eine generelle Streitwertfestlegung auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von zumeist kleinen oder mittleren Urheberverbänden Rücksicht zu nehmen.

Der grundsätzlich als notwendig erkannte Lösungsweg, den Abschluss von Gemeinsamen Vergütungsregeln zu stimulieren, wird nur gelingen, wenn er in ein geschlossenes Anreizsystem eingebettet ist. Insofern bilden Verbindlichkeit von Schlichtungsergebnissen und ein auf Vergütungsregeln basierendes Verbandsklagerecht eine Einheit. Fehlende Verbindlichkeit des Schlichtungsverfahrens lädt zur Umgehung des Abschlusses von Vergütungsregeln ein. In diesem Fall kommt eben keine Vergütungsregel zustande. Wo es die nicht gibt, nutzt das so genannte Verbandsklagerecht gemäß § 36 b UrhG-RegE nichts. Es wird zu einer symbolischen Vorschrift ohne Anwendungszusammenhang. Aus diesem Grund ist eine (Teil-)Verbindlichkeit des Schlichtungsverfahrens gemäß § 36 a UrhG unabdingbar. Nur auf dieser Grundlage macht die Verbandsklage wirklich Sinn.


JÜRGEN KASTEN
Zur weiteren Information


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Urhebervertragsrecht ist kein Schreckgespenst, sondern bringt Rechtssicherheit
Verwerterkritik wird laut, sucht aber nur den Popanz

Seit einem halben Jahrhundert betont der Bundesgerichtshof in den einschlägigen Urteilen zum Urheberrecht, dass die Werkschöpfer an den Erträgen und Vorteilen aus jeglicher Nutzung zu beteiligen sind. Seit 2002 gibt es das Urhebervertragsrecht mit gesetzlichem Anspruch auf angemessene Vergütung und weitere Beteiligung im auffälligen Erfolgsfall. 2007 stellt der Deutsche Bundestag im Enquetebericht Kultur in Deutschland fest, dass die beabsichtigte Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern nicht eingetreten ist.

Stärkung der Urheber und ihrer Verbände tut Not
Jetzt hat Justizminister Maas einen Entwurf zur Verbesserung der vertraglichen Stellung von Urhebern vorgelegt. Bereits vor der parlamentarischen Beratung wird der Referentenentwurf zum Urhebervertragsrecht aus Verwerterkreisen vehement attackiert. Unrühmliches Vorbild dafür ist die erfolgreiche Verwässerung der Urheberrechts-Novelle aus den Jahren 2001/02. Dabei bessert der aktuelle Entwurf nur nach, was damals wider besseren Wissen auf der Strecke geblieben ist. Er versucht: 1. den Anspruch auf angemessene Vergütung des Urhebers für jede Nutzung rechts- und tatbestandssicher zu verankern; 2. die Verfügungsgewalt des Urhebers zu erhöhen und ihm bessere Rückrufs- und Auskunftsmöglichkeiten einzuräumen. Beides gehört seit langem zu den Grund- und Leitgedanke des Urheberrechts. Der Ideenansatz, den Urheber fair und redlich an den Erträgnissen und Vorteilen aus jeglicher Werknutzung zu beteiligen, ist seit langem Tenor der ständigen Rechtsprechung des BGH. Er wird nun endlich vom Kopf auf praxistaugliche Füße gestellt. Das zentrale Instrumentarium dafür sind: Gemeinsame Vergütungsregeln. Was Urheberverbände und Werknutzer bzw. deren Verbände auf Augenhöhe vereinbaren, ist angemessen und sorgt für Rechtssicherheit. Verwerter vergessen leicht, dass die in Frage gestellt wird, wenn sie Vergütungsregeln hintertreiben.

Anreize für mehr Vergütungsregeln
Es gibt bisher nicht allzu viele Vergütungsregeln, und damit ein latentes Defizit in der Bestimmung des abstrakten Rechtsbegriffs „angemessen“. In der Film- und Fernsehbranche sind es gerade einmal vier (die von Bundesverband Regie BVR/BFFS/VDD mit Pro7Sat.1 und die des BVR mit dem ZDF sowie der ProduzentenAllianz zum Kinofilm). Die geringe Anzahl mag damit zusammen hängen, dass es für den Film- und Fernsehbereich indizienhaft ausstrahlende Tarifverträge sowie einen Mantel- und Gagentarifvertrag gibt. Beides gilt aber streng genommen nur für einen kleinen Teil von Filmurhebern. In den anderen Kultursparten sieht es nicht viel besser aus, hier sind in 14 Jahren weniger als fünf Vergütungsregeln zustande gekommen. Es ist deshalb rechtspolitisch seit langem klar, dass Nachbesserungen notwendig sind, soll das Konzept der Bestimmung angemessener Vergütung durch die Branchenteilnehmer praxistauglich aufgehen. Aus einer langen Reihe höchstrichterlicher BGH-Entscheidungen und rechtswissenschaftlicher Zustandsanalysen (zuletzt etwa durch Prof. Peifer und Kollegen mit dem so genannten Kölner Entwurf) gab sich die Große Koalition 2013 den Auftrag: „Um Kreativen eine angemessene Vergütung zu ermöglichen, bedarf es einer Überarbeitung des Urhebervertragsrechts. Dabei müssen wir feststellen, ob Verhandlungs- bzw. Konfliktlösungsmechanismen effizient genug ausgestaltet sind und ob das Verfahren insgesamt beschleunigt werden muss sowie die Verbindlichkeit des Schlichtungsverfahrens zu verbessern“.

Die Gründe für das Fehlen differenzierter Vergütungsregeln liegen im komplexen Verfahren und in Ausweichmöglichkeiten, die insbesondere Großverwerter, wie etwa Sender oder der Börsenverein des Buchhandels, intensiv genutzt haben. Mehr als drei Jahre musste der BVR auf mehreren Klagewegen prozessieren, um das ZDF davon zu überzeugen, dass es TV-Werke nutzt und deshalb verpflichtet ist, mit dem Regieverband Vergütungsregeln zu verhandeln. Die ARD droht noch immer damit, die Sackgasse der Verhandlungsumgehung durch Feststellungklagen abermals zu beschreiten. Mit dem bewusst angesteuerten Weg durch drei Instanzen wird versucht, den Urheberverband wirtschaftlich zu schwächen und Vergütungsregeln zu umgehen oder zumindest aufzuschieben. Die anstehende Gesetzes-Novelle versucht deshalb zuvorderst, den Weg zu Vergütungsregeln einfacher und attraktiver zu machen, bündelt Streitigkeiten über Verfahrensweg und Voraussetzungen (etwa für die Schlichtung) beim Oberlandesgericht. Sie setzt also Anreize zum Abschluss von Vergütungsregeln und nur den Popanz 
Suchende sehen darin eine Bürde.

Schlichtung muss verbindlicher werden
Dass die im § 36a UrhG vorgesehene Schlichtung von jeder Partei ohne Begründung abgelehnt werden kann, ist ein weiteres markantes Problem der aktuellen Gesetzeslage. Der vorliegende Referentenentwurf löst es – anders als der rechtswissenschaftliche Kölner Entwurf, der eine Begründung für die Ablehnung eines Schlichterspruchs und deren gerichtliche Überprüfung vorsieht – leider nicht. Justizminister Maas hat verlauten lassen, dass er politisch nur eines durchsetzen kann: entweder die Verbandsklage oder eine annähernde Verbindlichkeit der Schlichtung. Dabei gehört beides zusammen. Vergütungsregeln werden dann abgeschlossen, wenn man sie nicht umgehen kann. Die Lücke des unverbindlichen Schlichtungsergebnisses am Ende des Verfahrens lädt aber nach wie vor dazu ein.

Abgeschlossene Vergütungsregeln oder verbindliche Schlichtungsergebnisse sind Voraussetzung für die zweite wichtige Neuerung: eine Art Verbandsklagerecht. Bei Filmschaffenden und Journalisten kommt es immer wieder vor, dass Tarifvertrags- oder Vergütungsregel-Bestimmungen nicht eingehalten werden. Der Referentenentwurf versucht Abhilfe, indem an der Vergütungsregel-Aufstellung beteiligten Parteien ein Klagerecht auf Unterlassung gegenüber dem Verwerter eingeräumt wird, der sich nicht an die von ihm abgeschlossene Vergütungsregel hält. So muss nicht mehr der einzelne Urheber gegen seinen Vertragspartner klagen (und evtl. Nachteile hinsichtlich zukünftiger Beschäftigung erleiden), sondern sein Verband tut es. Sinnvoll und konsequent wäre es zudem, diese Verbandsklage-Möglichkeit auch auf AGB-Klagen zu erweitern, in denen das in Formularklauseln gepresste Preis-Leistungs-Verhältnis überprüfbar wird.

Buyout ist möglich, Auskunft und Erlösallokation regelbar
In der deutschen Film- und Fernsehbranche sind Buyout-Verträge so weit verbreitet wie in keinem anderen großen Filmland (einschließlich der USA, wo seit 75 Jahren sehr differenzierte, bis zu 1000 Seiten umfassende Vergütungsregeln üblich sind, ohne dass dies den US-Film in seinem internationalen Siegeszug behindert hätte). Zukünftig müssen die Vergütungen für unterschiedliche Nutzungen aufgeschlüsselt werden. Das Leitbild der Beteiligung an jeder Nutzung gilt eben nicht nur für Verträge mit Folgevergütungen, sondern auch für Buyout-Kontrakte. Entgegen manch pauschaler Befürchtung hinsichtlich des Verbots von Pauschalvergütungen sei betont: Buyoutverträge sind die auch weiterhin möglich, vorausgesetzt sie vergüten angemessen, was voraussetzt, die Vergütungshöhe ist in einer Vergütungsregel vereinbart. Außerdem darf eine weitere Beteiligung des Urhebers im auffälligen Missverhältnis eines Erfolgsfalls nicht abgeschnitten werden (wie es etwa der BVR mit Pro7Sat.1 bereits vereinbart hat). Ist das in einer Gemeinsamen Vergütungsregel festgehalten, kann auf eine Honoraraufschlüsselung verzichtet werden. Gleiches gilt für die neu eingeführten Auskunftsansprüche des Urhebers zum Verwertungserfolg. Wenn die Filmbranche klagt, dies sei wegen Paketverkäufen nicht möglich, so sei an ihre minutiöse Abrechnung jedes einzelnen Film gegenüber Förderungen erinnert. Eine Allokation von Erlösen ist in jedem halbwegs organisierten Medienbetrieb machbar. Gern wird die Zahl möglicher Mit-Urheber überdramatisiert. 50 pro Film mutmaßt ein unbedarfter Produzent, tatsächlich sind es 3 – 5, die man vielleicht gesetzlich festschreiben sollte. Vor allem aber: Auskunftsansprüche sind ebenso wie die wenigen Rückrufsrechte, die dem Filmurheber aufgrund weitreichender, fast enteignungsgleicher Sonderbestimmungen des Gesetzes noch bleiben, in Vergütungsregeln abdingbar. Der Referentenentwurf des Justizministeriums spricht deshalb von einer „halbzwingenden Regulierung“, die einer Selbstregulierung der Branchenteilnehmer gleichkommt. 
Viel Aufregung hat die Einführung eines Rückrufrechts des Urhebers nach fünf Jahren erzeugt. Obwohl davon betroffene Verwerter ein Vorkaufsrecht erhalten und damit aussichtsreiche Möglichkeiten haben, den Rückruf abzuwenden, wettern vor allem die großen Verlage gegen diese neue Regelung. Die, die sonst Wettbewerb preisen, wollen ihn hier verhindern. Der Justizminister ließ durchblicken, dass die Frist für den Rückruf wohl noch verlängert wird. Für den Film und andere komplexe Werke mit mehreren Urhebern gilt das von der Buch- und Verlagsbranche verteufelte Rückrufsrecht ohnehin nicht. Hier kann einzig der Drehbuchautor Rechte zurückrufen, wenn der Filmhersteller sie nicht nutzt. Dass dem Autor jetzt die Verfügungsgewalt über die seltene Wiederverfilmung nicht nur im Zweifel belassen wird, ist eine kleine graduelle Veränderung. Bis 2002 war dies ohnehin üblich, ohne dass deshalb internationale Co-Produktionen unmöglich wurden.

Lösungsansätze liegen parat
Festzuhalten bleibt: Jeder Verwerter kann die wenigen tatsächlichen wie die zahlreich aufgebauschten Regelungsprobleme in ureigener Sachkompetenz durch Abschluss von Vergütungsregeln lösen. Der Schlüssel zu Rechtssicherheit und individueller Befriedung liegt in den Händen der Parteien selbst. Dabei sollte von Verwerterseite auf differenzierte Vereinbarungen und auf Repräsentativität des Vertragspartners geachtet werden. Der Geltungsvorrang von Tarifverträgen vor Vergütungsregeln, der leider im Referentenentwurf nicht korrigiert wird, weist den falschen Weg, da er die Repräsentativitätsfrage vernachlässigt. Die bisher ausweichende, auf Zeit spielende, gelegentlich bei der Gewerkschaft ver.di mit tarifvertragsähnlichen Gesamtverträgen Abhilfe erhoffende Abwehrhaltung etwa des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erscheint gerade nicht zielführend. Das Urhebervertragsrecht ist nicht als Teil des Tarifvertragsrechts konzipiert, sondern es will viel differenziertere kollektivvertragliche Vereinbarungen auf Augenhöhe ermöglichen.

Noch in der Lobbyarbeit für oder gegen ein faires Urhebervertragsrecht wird eine Disparität zwischen Urhebern und Verwertern spürbar. Sie ist Spiegelbild der individualvertraglichen Praxis, die der Reformentwurf gleichrangig gestalten will. Die ritualhaften Klagegesänge fast aller Großverwerter gegen ein funktionierendes Urhebervertragsrecht sollten endlich verstummen und konstruktiver Vertragspartnerschaft weichen.

JÜRGEN KASTEN
In: pro media 3/2016, S. 21-22