Urheber/innen gehören in den Mittelpunkt des Urheberrechts
Die UN-Organisationen Unesco und World Intellectual Property Organisation (WIPO) haben den 26. April zum WELTTAG DES GEISTIGEN EIGENTUMS und den 23. April zum WELTTAG DES URHEBERRECHTS erklärt. An diesen Tagen sollen Wert und Wichtigkeit der Schöpfungsleistung des Urhebers/der Urheberin und seines/ihres daraus erwachsenden geistigen Eigentums verdeutlicht werden. Das ist angesichts der Bedrängnis, in die das Urheberrecht im digitalen Zeitalter gerat, auch dringend notwendig. Denn mit der ...
Welttag des Urheberrechts und Welttag des geistigen Eigentums weisen auf die Bedeutung der Werkschöpfer/innen
Die UN-Organisationen Unesco und World Intellectual Property Organisation (WIPO) haben den 26. April zum WELTTAG DES GEISTIGEN EIGENTUMS und den 23. April zum WELTTAG DES URHEBERRECHTS erklärt. An diesen Tagen sollen Wert und Wichtigkeit der Schöpfungsleistung des Urhebers/der Urheberin und seines/ihres daraus erwachsenden geistigen Eigentums verdeutlicht werden. Das ist angesichts der Bedrängnis, in die das Urheberrecht im digitalen Zeitalter gerat, auch dringend notwendig. Denn mit der technischen Möglichkeit, jedes Werk, das digital verbreitet worden ist, zu kopieren und weiterzuleiten, hat sich ein überaus laxer Umgang mit dem geistigen Eigentum und der Schöpfungsleistung Anderer eingestellt. Die wird entweder als antiquierte Vorstellung der analogen Welt geschmäht oder mit dem Hinweis relativiert, Teilen sei doch ein überaus soziales Grundprinzip des Internets.
Leider traut sich die Politik in dieser Auseinandersetzung zwischen Kultur- und Rechtsüberlegungen auf der einen und aggressiver Nutzerlogik von Internetaktivisten auf der anderen Seite immer weniger, regelnd einzugreifen. Bereits zum 26. April 2008 gab es einen Brandbrief von Urhebern und Rechteinhabern an die deutsche Bundeskanzlerin. Die rechtspolitische Reaktion darauf ist bis heute dürftig, auch wenn Bundesjustizminister Maas und EU-Kommissar Oettinger neue Reformgedanken wälzen und das Urheberrecht fit machen wollen für das digitale Zeitalter. Das ist angesichts von millionenfachen Urheberrechtsverletzungen im Internet doppelt notwendig. Das Urheberrecht, das den Urheber im Mittelpunkt hat und stets haben sollte, musste bereits verkraften, schleichend zu einem Urheberverwertungsrecht umgedeutet zu werden. Jetzt läuft es Gefahr, von einem Konsumentenrechtsanspruch verschlungen zu werden.
Grundprinzipien des modernen Urheberrechts
Die bestehenden Grundprinzipien des kontinentaleuropäischen Urheberrechts werden von oft selbst ernannten Netzaktivisten massiv in Frage. Und selbst Netzpolitiker der etablierten Parteien widersprechen dem nur zögerlich. So entsteht um das Urheberrecht ein Kokon der Nicht- oder fahrlässigen Teilakzeptanz. Deshalb sind am Welttag des Geistigen Eigentums die Grundprinzipien des Urheberrechts laut und einprägsam zu erinnern. Das erste lautet: im Urheberrecht geht es um Werke, die durch die persönliche geistige Schöpfung eines Urhebers gekennzeichnet sind. Das setzt ein Mindestmaß an individueller Formkraft und Konzeptualität voraus. Einiges von dem, was im Internet flottiert, fällt nicht unter diesen Werkbegriff. Es soll und kann damit zu Recht von jedermann genutzt werden: etwa private Fotos und Handy-Filmchen, Blogs, eigene Programmanwendungen, auch Verlinkungen und Zitate sind erlaubt.
Ein zweites Grundprinzip lautet: der Urheber einer persönlichen geistigen Schöpfung hat die Verfügungsgewalt über Art, Umfang und Bedingungen der Veröffentlichung seines Werkes. Er kann es mit einer creative commons-Lizenz jedermann kostenfrei zur Verfügung stellen. Er muss dies aber nicht tun. Professionelle Künstler und Urheber müssen hingegen das Werknutzungsrecht verkaufen können. Schließlich leben sie davon. Insbesondere bei komplexen Werkformen (wie etwa bei Filmen, Fernseh- und Musikwerken) ist der Urheber in der Regel nicht selbst Hersteller und Verwerter, sondern erhält von diesem eine Grundvergütung und wird an den Erträgnissen aus der Nutzung des Werkes beteiligt. Generiert der Verwerter des Werkes keine Erlöse, so erhält auch der Urheber keine.
Buyout und symbolische Vergütung
Das dritte und vielleicht wichtigste Grundprinzip lautet: der Urheber ist an jeder Nutzung seines Werkes angemessen materiell zu beteiligen. Dieser seit 50 Jahren vom Bundesgerichtshof immer wieder vorgegebene Leitsatz harrt noch immer der gesetzlichen Verankerung. Der Referentenentwurf 2015 zum Urhebervertragsrecht hatte ihn aufgenommen. Leider hat Justizminister Maas nicht das Rückgrat, ihn auch im Regierungsentwurf dem Parlament vorzulegen. Zu groß war der Großverwerter-Einfluss im Kanzleramt. Darunter kollabierte der Minister und darunter werden Hunderttausende Urheber leiden.
Aktuell ist die notwendige Urheberentlohnung etwa für digitale Nutzungsvorgänge oft in Frage gestellt. Einerseits wegen piratistischer Aneignung im Internet, die eben keine Vergütung entrichtet. Andererseits aber auch angesichts eines um sich greifenden Pauschalvergütung-Systems (sog. Buyout-Verträge). Die können nur eingedämmt werden, wenn den Verbänden ein praktikables Urhebervertragsrecht zugebilligt wird, mit dem auf Augenhöhe die Angemessenheit gerade von Buyout-Vergütungen sowie der notwendigen weiteren Beteiligungen im Erfolgsfall rechtssicher vereinbart wird.
Ein in Internet-Kreisen häufig zu hörendes Scheinargument, warum man ohne Unrechtsbewusstsein, Filme oder Musikwerke illegal herunterlädt ist: Urheber würden von einer Vergütung (etwa für pay per view- oder video on demand-Nutzung) ohnehin nichts erhalten.
Selbst öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten machen dies oft so. Viele Großverwerter haben sich bisher dem Abschluss fairer und redlicher Rahmenbedingungen für angemessene Vergütungen entzogen. Doch anstatt die Urheber politisch darin zu unterstützen, das Urhebervertragsrecht zu verbessern und etwa den Grundsatz der Vergütung für jede Nutzung gesetzlich zu verankern, wird dieser Missstand in der Praxis von Netzaktivisten als Rechtfertigung für eine weitere Hintertreibung der Rechte und des Vergütungsanspruchs von Urhebern genommen.
Es findet tendenziell eine doppelte Urheber-‘Enteignung’ statt: eine durch den Verwerter, der die Nutzungsrechte erwirbt und das entstandene Werk für eine Pauschalvergütung vielfältig in allen Medien auswertet, und eine durch den Nutzer, der im Internet zu häufig nicht gewillt ist, für Filme, Fernsehwerke oder Musik eine Vergütung zu entrichten. Eher als symbolische Urhebervergütung zu bezeichnende Angebote, wie eine Kulturflatrate oder gar eine nach Gusto des Nutzers zu verteilende Kulturwertmark, lösen das Problem einer angemessenen Urhebervergütung nicht. Komplexe Kulturwerke, an denen Urheber Jahre lang arbeiten und deren Realisierung hohe Investitionen erfordert, können nicht mit symbolischen Beträgen angemessen vergütet werden, nur weil das Teilen kultureller Erfahrung erstrebenswert ist oder weil digitale Kopien leicht verfügbar sind.
Es gibt nirgendwo ein Grundrecht auf kostenfreie oder möglichst kostengünstige Aneignung im Internet, auch nicht unter dem Deckmantel der Informationsfreiheit. Ein Kopier- oder Nutzungsvorgang, bei dem keine angemessene Vergütung entrichtet wird, nimmt den Urhebern sehr wohl etwas, auch wenn das Werk dadurch nicht beschädigt werden sollte und physisch nichts entwendet wird.
Rechtspolitische Grundprobleme
Der Schutz des geistigen Eigentums hat gerade in seiner materiellen Dimension in Deutschland und vielen anderen europäischen Staaten Verfassungsrang, und zwar vor allem im Hinblick auf die Urheber. Erst 2010 hat das deutsche Bundesverfassungsgericht klargestellt: „Die fachrechtliche Auslegung und Anwendung des Urheberrechts muss insbesondere angesichts der auf diesem Gebiet zahlreichen technischen Neuerungen die Eigentumsrechte des Urhebers aus Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz gewährleisten“.
Ein zentraler Ansatz sinnvoller Internet-Regulierung könnte eine erweiterte Inanspruchnahme der großen Zugangsanbieter (der Provider) hinsichtlich Auskunftspflicht und ggf. auch eigener Haftung insbesondere bei pauschalen Bezahl- bzw. Urhebervergütungsmodellen sein. Allerdings dürfen sich diese nicht in symbolischen Beträgen erschöpfen, sondern es müssen sowohl die Nutzungshäufigkeit wie der Umstand der Werkverdrängung bzw. Substitution in anderen Medien berücksichtigt werden. Außerdem ist die Haftung des Abgabeschuldners etwa durch eine Hinterlegungspflicht eines nennenswerten Anteil zu verbessern. Genau das tut etwa das gerade im Bundestag beschlosseneneue Verwertungsgesellschaftsgesetz (VGG) nicht. So müssen Urheber und ihre VGs weiterhin hinter teilweise gesetzlich verankerten Abgaben etwa auf Tablets, PCs oder Smartphones (die allesamt eben auch Kopiermedien sind) Jahre lang hinterher laufen.
Die eigentlichen Grund- und Schutzgedanken des Urheberrechts haben stets dem geistesschöpferisch tätigen Autor, Komponisten oder Regisseur gegolten, nicht seinen technischen Gehilfen, nicht dem Adepten, nicht dem finanziell verantwortlichen Hersteller oder dem industriellen Verwerter und auch nicht dem Rezipienten, der heute etwas unpersönlich ‚Nutzer‘ heißt. Bei allen Neuakzentuierungen des Urheberrechts im digitalen Zeitalter ist es notwendig, den Urheber wieder in den Mittelpunkt der Nutzungs- und Verwertungssituation zu rücken. Auch der an sich sinnvolle Gedanke der kulturellen Teilhabe muss diesen Grundsatz aufnehmen und beherzigen.
JÜRGEN KASTEN