Nachruf Rainer Erler + 8. November 2023

Verbandsnews
Postkarten aus fernen Ländern - Der Regisseur Rainer Erler ist tot

Rainer Erler war einer der großen deutschen Filmschaffenden der Sechziger- und Siebzigerjahre. Er sah Science-Fiction immer auch politisch und inszenierte seine Thriller aus einem klaren gesellschaftskritischen Blick. Am vergangenen Mittwoch ist Rainer Erler im Alter von 90 Jahren in Perth, Australien, gestorben.


Mehr als 40 Spielfilme, 14 Romane, gut zwei Dutzend Erzählungen und Kurzgeschichten, fünf Bühnenwerke – das Werk des Regisseurs, Produzenten und Autors Rainer Erler ist beeindruckend. Dabei bot er mit seinen künstlerischen Beiträgen stets Diskussionsstoff. »Es gibt keinen Film von mir, wo sich nicht ganz bestimmte Interessengruppen ganz vehement vorher dagegengestellt oder protestiert hätten«, sagte Erler, der auch Gründungsmitglied des BVR war, einmal in einem Interview.

Erler drehte in mehr als 30 Ländern und verhalf vielen seiner Schauspieler zu internationalem Ruhm. In einem Portrait über den Autor und Regisseur schrieb Andreas Wolf in der Zeitschrift "TV Spielfilm":  Rainer Erler ist bei der Wahl seiner Motive immer in die vollen gegangen, hat Fernsehen wörtlich genommen. Postkarten aus fernen Ländern schickte er dem Zuschauer, versehen nicht nur mit netten Grüßen, sondern mit Warnungen vor dem Kollaps unserer Wohlstandswelt. Konsalik plus Simmel plus Wissenschaft gleich Erler. Die Gleichung ging immer auf.

In den 70er und 80er Jahren hat der Autor und Regisseur mit, wie er seine Filme selbst nennt, "Science-Thrillern" für Furore gesorgt und dafür TV-Preise noch und nöcher eingeheimst. Umweltvergiftung, Atomenergie, Organhandel, Genmanipulation sind die brisanten und immer noch — oder wieder — aktuellen Themen, von denen Erlers TV-Spiele handeln. "Das schöne Ende dieser Welt", "News — Reise in eine strahlende Zukunft", "Plutonium", "Fleisch", "Zucker": das sind nur fünf von zwölf Filmen, die das ZDF als kleine Retrospektive vor vielen Jahren zeigte.  

So wenig wie das Risiko mied der engagierte Zivilisationskritiker Konflikte. Einen Platz in der deutschen TV-Geschichte hat Erlers »Fleisch« aus dem Jahr 1979. Ein Mann (Herbert Herrmann) gerät auf seiner Hochzeitsreise in die Fänge einer Bande, die in großem Stil Menschen entführt, ihnen Organe entnimmt und diese teuer verkauft.

Seine drastische Vision des Schwarzhandels mit menschlichen Organen in "Fleisch" rief den Protest der Ärzte hervor. Noch kurz vor der Ausstrahlung im ZDF 1979 mutmaßten TV-Zeitschriften, ob der Film nun kommt oder verboten wird. "Das war die beste Werbung", sagt der Regisseur. Einige Wochen nach der Sendung habe Bremens Gesundheitssenator dem ZDF geschrieben, die Nachfrage nach Organspendeausweisen sei dramatisch gestiegen. "Wir haben also was erreicht", konstatiert Erler.

Im Nachhinein fühlt er sich bestätigt. "Was damals eine Horrorvision war, ist heute in vielen Ländern Realität." So trivial und unrealistisch — "unterhaltsam" würde Erler sagen — die Rahmenhandlungen seiner Filme mitunter sind, seine Krisen-Szenarien trafen häufig ins Schwarze. So krass er sie ausmalte, nahmen sie die Bedeutung und Schärfe des Problems nur vorweg. "Global" gedacht hat der mahnende Prophet schon 20 Jahre, bevor das Wort in Mode kam. Man müsse doch nur "extrapolieren", erklärt der Sohn eines Studiendirektors seine Methode. "Wer sich informiert, die Facts kennt und dann hochrechnet, kommt zu solchen Ergebnissen."  (Ponkie in der AZ zu Erlers 80-igstem)

Im Jahr 2013 erhielt Erler von seinen BVR-Kollegen und Kolleginnen für sein Lebenswerk den Deutschen Regiepreis »Metropolis« verliehen. Seinen Stil der ungewöhnlichen Verschmelzung von brisanten und politischen Themen mit Science-Fiction-Elementen bezeichnete die Jury in ihrer Begründung der Auszeichnung als legendär.

Rainer Erler machte Filme für ein Fernsehen, wie man es heute schmerzlich vermisst – kontrovers, polarisierend, spannend und am Puls der Zeit. 

Wir werden ihn vermissen.

Der Vorstand