Nachruf Michael Verhoeven

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Der Arzt, Regisseur, Filmemacher, Autor und Kinobesitzer Michael Verhoeven ist am 22.4.2024 nach kurzer Krankheit im Alter von 85 Jahren gestorben. Mit seinen kritischen Filmen über den Nationalsozialismus setzte er klare Akzente.

Sein Film „ok“ sorgte bei der Berlinale 1970 für einen Skandal, weil Jurypräsident George Stevens sich vor den Kopf gestoßen fühlte. Er drohte, den Film wegen seiner antiamerikanischen Aussagen aus dem Programm zu nehmen. Drei Jahre später gab Verhoeven seinen Beruf als Arzt auf und konzentrierte sich auf seine Arbeit als Regisseur. Zu diesem Zeitpunkt war er schon lange mit Senta Berger verheiratet, eine Ehe, die nie auseinanderbrach und wegen der Berühmtheit und des Glamours seiner Frau stets mit ihm assoziiert wurde. 

Verhoeven war immer ein politischer und unbequemer Regisseur. „Das schreckliche Mädchen“, „Die Weiße Rose“, „Mutters Courage“ sind nur einige Titel, die sich ins kollektive Gedächtnis eingeschrieben haben und aus dem Kanon deutscher Filme nicht mehr wegzudenken sind.  Für „Mutters Courage“ erhielt er den Internationalen Filmpreis in Jerusalem, und neben anderen Auszeichnungen bei der Berlinale, die Goldenen Kamera und den Bayrischen Filmpreis - überhaupt ist die Liste seiner Auszeichnungen fast länger als seine Filmografie. 
 

 

Dabei war Michael Verhoeven ein besonderer Mensch und Kollege, wie Claudius Seidl in Ausgabe der FAZ am 26.4.2024 (link unten) schreibt: „Die wichtigere Ursache ist aber die, dass dieser Michael Verhoeven ein so liebenswerter, nahbarer und moralisch integrer Mensch war, dass man gar nicht erst den Versuch zu wagen brauchte, den hohen moralischen Anspruch seiner Filme womöglich gegen deren Schöpfer auszuspielen. Verhoevens Tür stand jedem, der von ihm etwas wollte, sperrangelweit offen – und so konnte es passieren, dass, irgendwann ums Jahr 1980 herum, ein Student, der sich sehr fürs Kino interessierte, einfach hineinspazieren konnte in das Haus, das Verhoevens Filmfirma gerade bezogen hatte, gleich zum Chef ins Zimmer geführt wurde. Und der sagte nur: ´Klar, einen Job beim Film gibt es immer. Und wenn du deinen besten Freund mitbringst, haben wir auch für den hier viel zu tun´. Und weil Studenten, die beim Film arbeiten, meistens allen anderen schon dadurch auf den Geist gehen, dass sie so erkennbar nach Höherem streben, war es umso erstaunlicher, dass Verhoeven die Geduld hatte, die Skizzen, Szenen, Drehbuchentwürfe seiner neuen Mitarbeiter zu lesen und zu bewerten.“

Verhoeven drehte auch Unterhaltungsformate wie die ZDF-Serie „Die schnelle Gerdi“ (1989) mit seiner Ehefrau Senta Berger als Münchner Taxifahrerin. 2016 war er Co-Produzent der erfolgreichen Komödie „Willkommen bei den Hartmanns“, bei der sein Sohn Simon Regie geführt hat. Sein jüngerer Sohn Luca ist ebenfalls in der Filmbranche tätig. Als Dokumentarfilmer blickte er ebenfalls genau und ohne Angst in die Vergangenheit: „Menschliches Versagen“ von 2008, ein heute fast vergessener Film, beschreibt akribisch und schmerzlich intensiv die Raffgier der Deutschen zur Zeit der Enteignungen der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger während des NS-Regimes. 
 

Geboren wurde Michael Verhoeven am 13. Juli 1938 in Berlin, als Sohn der Schauspielerin Doris Kiesow und des Regisseurs und Schauspielers Paul Verhoeven. Später zog die Familie nach München. Erste Erfahrungen als Schauspieler sammelte er in kleinen Theaterstücken, in den 1950er Jahren dann in Filmen wie „Das fliegende Klassenzimmer“ oder „Der Pauker“ mit Heinz Rühmann. 
 

Eine ganze Generation hat Verhoeven mit seinem Blick auf sein Land geprägt und gezeigt, dass seine Filme, ohne viel Aufhebens und weil sie bei ihm jenseits des tagespolitischen Lärms nur sich selbst verpflichtet waren, ihre Botschaft so sicher ans Ziel bringen konnten, dass selbst heute noch die Politik nicht an ihnen vorbeikommt. Der Bundeskanzler drückte am Freitag Verhoevens Familie sein Beileid aus. Bei „X“ schrieb Scholz: „Film war für ihn politisch. Im Film machte er klar, wofür er steht.“ Der deutsche Film verliere mit Verhoeven einen seiner ganz Großen.

Kulturstaatsministerin Roth bezeichnete Verhoeven als einen der „verdienstvollsten Regisseure, dessen Oeuvre zu den bedeutendsten und politisch engagiertesten der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte zählt“. Er sei einer jener couragierten Filmschaffenden, die stets an das demokratische Gewissen der Gesellschaft appellierten. „Seine eindringlichen filmischen Meisterwerke gaben nicht zuletzt wichtige Denkanstöße für die politische Entwicklung unseres Landes.“ „Seine klare Positionierung gegen den Nationalsozialismus,“ erinnert Bayerns Medienminister Florian Herrmann (CSU), „ist leider heute wieder aktueller denn je.“ 

Michael Verhoeven war ein gerader und herzlicher Mensch, einer von denen, die mit Ihrer Kunst immer dringend gebraucht werden. Wir sind ihm zu großem Dank verpflichtet und werden unseren Ehrenpräsidenten vermissen.

 

Der Vorstand

 

Gez. JOe/27.4.24